Das räumlich-visuelle Informationspotential der Umwelt würde uns in jeder Wahrnehmungssituation sofort überfordern, müssten wir uns mit der Gesamtheit aller möglichen Deutungen auseinandersetzen. Die Verarbeitungsprozesse im Gehirn folgen einem Ordnungsprinzip, nach dem wir relevante Umweltdaten über die Aufmerksamkeitsrichtung auswählen können. In der Wortsprache werden diese situativ bedingten Unterscheidungen als Hauptbedeutungen (Denotationen) und Nebenbedeutungen (Konnotationen) gekennzeichnet. Ein räumlich-visuelles Zeichen kann daher viele Bedeutungen besitzen und dennoch richtig verstanden werden. Die Hervorhebung der maßgeblichen Aussage wird von der Verwendungssituation bestimmt.

Unser neuronales Wissensnetzwerk besitzt eine offene Ordnung, welche der rhizomatischen Struktur von Knollengewächsen ähnelt. Es gibt vielfältige assoziative Verflechtungen, Querverbindungen, Verdichtungen und unterbrochene Pfade, die durch Umgehungen überbrückt werden können. Auf diese Weise ist Alles mit Allem verbunden. Dennoch gibt es Kategorien, über die wir im Wahrnehmungsprozess festlegen, ob wir die Farbe Blau, den Himmel oder das schöne Wetter sehen. Während die Hauptbedeutung das Subjekt der Wahrnehmungssituation bezeichnet und damit aussagt, was wir sehen, schwingen die damit assoziierten Nebenbedeutungen im Erlebnis der Farbe Blau mit. Wenn wir von der Einzigartigkeit eines Ereignisses absehen und das Allgemeine darin finden, wird es zu einem sprachlichen Typus, dem Vertreter einer Zeichenkategorie.

Die Wandlung vom Phänomen (dem Erscheinenden) zum Noumenon (dem Gedachten) erfolgt durch die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen den formalen Merkmalen eines anschaulich gegebenen Sachverhalts und dessen Inhalt. Die Grundelemente dieser Typologie lassen sich in Bezug auf den Sprachgebrauch als Symbole (Erkennungszeichen), Ikons (hohes Maß an Ähnlichkeit zwischen Form und Inhalt) und Indizes (kein Ähnlichkeitsbezug zwischen Form und Inhalt) unterteilen.

Publikation „Die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz“