Kapwani Kiwanga The Marias, Installationsansicht (Foto Axel Buether, Ausstellung „Flowers Forever“ Kunsthalle München)

Sonnengelb – aktivierend, strahlend und energetisch

Das strahlend gelbe Sonnenlicht ist ein einzigartiges Naturphänomen, das tagtäglich die Erde aufhellt, erwärmt und mit der Energie versorgt, die uns am Leben hält. „Sonne, Licht und Wärme“ sind die ersten Gedanken, die uns beim Anblick eines lichten Gelbtons in den Kopf kommen. Drückt man Kleinkindern einen gelben Buntstift in die Hand, dann kritzeln die meisten damit ein gelbes Sonnensymbol aufs Papier.

Die Strahlungsenergie der Sonne wirkt über unsere Augen und Haut auf das circadiane System, das nicht nur den Schlaf-wach- Rhythmus, sondern auch basale Körperfunktionen wie die Körpertemperatur, den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt steuert. Jedes Sonnengelb wird hierdurch zum Farbsymbol einer unsichtbaren Macht, die uns Tag für Tag mit Optimismus und Tatkraft erfüllt.

Gelb vermittelt den Eindruck von Gesundheit, Dynamik und aktiver Lebensfreude. Wir wählen Gelb, wenn es uns gut geht. Diese Wirkung bestätigte auch eine Studie über den Zusammenhang von Farbe und Emotion. Das Forscherteam nutzte dafür einen Farbkreis, aus dem Probanden eine passende Farbe zu ihrer Stimmung wählen mussten. Menschen mit depressiven Stimmungen wählten dagegen sehr häufig ein tristes Grau, das den emotionalen Gegenpart zum fröhlichen Gelb bildet.

Die Ambivalenz von Gelb

Im Jahr 1917 erregte eine Farbtherapie weltweit Aufmerksamkeit, die nach ihrem Erfinder als „Kemp-Prossor’s Colour Cure“ in die Medizingeschichte einging. Soldaten, die von psychosoma- tischen Störungen gequält wurden, sollten in knallgelben Patientenzimmern mit himmelblauen Decken Genesung finden. Doch nicht nur die Wände und Böden wurden einheitlich gelb gefärbt, sondern auch die gesamte Inneneinrichtung bis hin zur Bettwäsche. Das Ziel war, einen maximalen Kontrast zur Atmosphäre der europäischen Schlachtfelder herzustellen und den ganzen Raum mit „Frühling“ zu füllen. Krankenhäuser in Dänemark und Großbritannien übernahmen diese farbtherapeutische Methode, die sich jedoch nicht durchsetzen konnte und bald schon wieder in Vergessenheit geriet.

Das Scheitern dieser Farbtherapiemethode lässt sich auf einen weitverbreiteten Irrtum zurückführen. Ein leuchtend reines Narzissengelb wirkt auf der winzigen Fläche einer Blüte vor dem Hintergrund grüner Pflanzen in der Tat frühlingshaft, heiter und optimistisch. Wenn Sie damit jedoch einen ganzen Raum füllen, wird daraus ein greller Warnton. Ein solcher Raum wirkt klaustrophobisch und hat nichts mehr mit der fröhlichen Atmosphäre einer Frühlingslandschaft gemein.

Kapani Kiwanga The Marias

„Kapani Kiwanga studierte Anthropologie und vergleichende Religionswissenschaften, bevor sie sich der Kunst zuwandte. So ist das herausstechende Merkmal ihres Werkes die künstlerische und ästhetische Übersetzungsleistung des fundierten theoretischen Unterbaus und Recherchierten, wobei ihre Installationen, Bilder, Papierarbeiten, Fotografien und Videoarbeiten durch formale Klarheit und Reduktion bestechen. Kiwanga versteht es, die Betrachter*innen ästhetisch und effektvoll zu verführen. Tatsächlich gründet jedoch auch ihre sensible Material- und Farbauswahl stets in tieferen Bedeutungsebenen, die ihre Arbeiten historisch und gesellschaftspolitisch aufladen und den visuellen Genuss inhaltlich brechen. So sind beispielsweise ihre zierlichen Pflanzen toxisch.“ (Textauszug Kunstmuseum Wolfsburg)

Ausstellung Kapwani Kiwanga. Die Länge des Horizonts. Kunstmuseum Wolfsburg 16. September 2023 bis 7. Januar 2024

Vortrag „Psychologie der Farben“ im Rahmen der Volkswagen Art4All. 27. September um 18 h Kunstmusum Wolfsburg