Der anschauliche Wissenstand unseres Gedächtnisses aktualisiert sich fortwährend über die Wahrnehmung der Gegenwart. Dennoch geht der Wandel von Menschen, Orten und Dingen nicht verloren, sondern bleibt uns in Erinnerung. Diese Entwicklungsperspektive der Ereignisse können wir beim gedanklichen Gang durch den Vorstellungsraum für das Verhalten in der Gegenwart und die Planung der Zukunft nutzen.
In Bezug auf den Kontext verweisen die charakteristischen Dynamiken in der Farb- und Lichtstruktur auf Verhaltenszustände, Handlungsverläufe, Bewegungsintentionen, Alterungs-, Wachstums-, Wucherungs-, Zerstörungs- oder Zerfallsprozesse. Die Ursachen unserer Veränderungen, sowie die unserer Umwelt, sind mannigfaltig. Dennoch sehen wir nur die Gründe für den Wandel unserer Persönlichkeit und Lebenswelt, die uns vom gegenwärtigen Standpunkt aus erkennbar werden. Diese Betrachtungsrichtung unserer Vergangenheit repräsentiert sich im autobiographischen Gedächtnis. Mit jedem Wechsel unserer Sichtweise auf die bereits erlebten Ereignisse verändert sich daher die gesamte zeitliche Perspektive der eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Ein anschaulicher Beleg für die zeitlichen Veränderungen der menschlichen Sehfähigkeit findet sich in den Artefakten des Kulturraums. Hier zeigt sich uns die Entwicklung der Ideenwelt und der Wandel des Zeitgeistes. Die Kategorisierung der Kulturgeschichte nach anschaulichen Kriterien in Epochen oder Stile verweist auf die prägnanten Wechsel in der Vorstellungswelt unserer Spezies. Siedlungen, Architekturen, Gebrauchsgegenstände, Plastiken und Bildwerke geben uns wie Bücher auf anschauliche Weise Auskunft über die Vorstellungswelten von Individuen und Gesellschaften. Wir finden darin ein historisches und zeitgenössisches Ideenarchiv, dessen gedankliches Potential wir uns insoweit erschließen können, wie wir ein geschichtliches Bewusstsein ausbilden. Die Grundlage hierfür bildet die methodische Förderung der Sehfähigkeit, die wir im Sinne einer Lesekompetenz gebrauchen können.