Abstract Beitrag

Raum ist ein Welterkenntnis- und Weltbeschreibungssystem sowie Weltvermittlungs- und Weltgestaltungssystem.

Die Arbeit des Architekten ist politischer Natur, da er mit der Gestaltung des menschlichen Lebensraums zugleich auch die Wahrnehmung von Gesellschaft formt, die wiederum seinen Handlungsspielraum vorgibt. Wir nehmen Raum mit allen Sinnen, unserem Gefühl und Verstand wahr. Daher ist es nicht nur von Bedeutung, wie ein Raum aussieht, sondern ebenso wie er sich anfühlt, wie er riecht, klingt, sich verändert oder sich verhält, wenn wir mit ihm interagieren.

In Bezug auf unsere Wahrnehmung funktioniert Raum wie eine Sprache, da die Wechselwirkungen zwischen Körper und Umwelt nicht nur unser Überleben gewährleisten, sondern auch zum Gegenstand von Wissen und Erkenntnis werden können. Der Mensch ist in der Lage, die Bedingungen seiner Existenz in der Umwelt wahrzunehmen, zu kommunizieren und willentlich zu gestalten. Jeder Eingriff in die Umwelt verändert die Form unseres Lebensraums und hat damit zugleich Konsequenzen auf die Form unseres Zusammenlebens, die Entwicklungsdynamik von Individuen und Gesellschaften.

Durch das Erleben und den Gebrauch des Kulturraums erschließen wir uns die überlebenswichtigen Praktiken und Funktionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Raumwahrnehmung initiiert und fördert einen generationsübergreifenden Lernprozess, der stetiger Erneuerung bedarf und daher niemals abgeschlossen sein kann. Junge Menschen nehmen wahr, wie Gesellschaft funktioniert und wo sie versagt. Am Gebrauch des Raums zeigt sich, was uns wichtig und nützlich ist oder seinen Zweck verloren hat, was es zu bewahren oder zu erneuern gilt. Die psychologisch-ästhetische Erforschung der Raumwahrnehmung ist daher die Leitwissenschaft der Umweltgestaltung, von der Stadtplanung über die Architektur bis zur Innenarchitektur und Szenografie.

Beitrag in: Architektur wahrnehmen

Architektur beeinflusst uns wie kaum ein anderer Umweltfaktor. Eine intensive Beschäftigung mit ihr ist deshalb in unserem ureigensten Interesse. Architekten, Psychologen, Bildhauer, Kunstdidaktiker, Geschichts- und Medienwissenschaftler, Kunstgeschichts- und Erziehungswissenschaftler widmen sich in diesem Grundlagenwerk den unterschiedlichen Facetten der Architekturwahrnehmung und zeigen dadurch das Potential auf, das in einer Auseinandersetzung mit ihr liegt. So wird nachvollziehbar, was für Menschen geeignete Architektur ausmacht – über alle individuellen Präferenzen hinweg. Der Band richtet sich an Architektur-Studierende, Architekten, Umweltpsychologen und andere Beschäftigte im Bereich der Architektur sowie ganz ausdrücklich an alle Architektur- Nutzer.

Architektur wahrnehmen
Alexandra Abel, Bernd Rudolf (Hg.)
ISBN 978-3-8376-3654-3

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