Wenn wir wütend sind, sehen wir rot, wenn wir verzweifelt sind, schwarz. Und wenn es uns gut geht, erleben wir rosa Zeiten. Farben haben einen starken Einfluss auf uns, doch meist nehmen wir sie nur unbewusst wahr. „Gut zu wissen“ fragt bei einem Farbenforscher genauer nach.
Der Film „Die Macht der Farben“ (Christian Friedl Autor und Regie) wurde am 2. Oktober bei „Gut zu wissen„, dem Wissensmagazin des Bayerischen Rundfunks ausgestrahlt und ist in der Mediathek des BR bis zum 1.10.2026 abzurufen.
Alpenwanderung zur Natur der Farben
Um der Natur der Farben auf die Spur zu kommen, sind wir einen Tag in den Bayerischen Alpen auf Wanderung gegangen.
Die Farbe der Mitte, das ausgleichende Grün.
Hier findet sich die Farbheimat des Menschen. Grün ist die Symbolfarbe des Natürlichen, Wachsenden und Lebendigen. In allen romanischen Sprachen leitet sich „Grün“ vom lateinischen „virdis“ ab, das zugleich auch für Kraft, Wachstum und Leben steht.
Alle Grüntöne der Natur stehen untereinander und zu ihrer Umgebung in perfekter Harmonie
Das grüne Spektrum ist unser größter Farbraum, der mehr als die Hälfte aller sichtbaren Farbtöne umfasst. Die Farben der pflanzlichen Natur bilden die Grundlage für die Entwicklung unseres visuellen Wahrnehmungssystems. Alle Sehzellen unserer Netzhaut registrieren den mittleren Bereich des sichtbaren Lichts. Grün ist das Mittlere, die Farbe des Ausgleichs und der Balance.
Konfrontation mit dem leblosen Grau
Gesteine und Felslandschaften gehören zu den ältesten Zeugnissen der Erdgeschichte. Die meisten Hartgesteine wie Granit, Schiefer und Basalt wirken leblos und grau. Druck und Hitze haben bei ihrer Entstehung die Spuren des Lebens ausgelöscht. Weichgesteine wie Marmor, Sand- und Kalkstein wirken dagegen meist deutlich heller, farbiger und lebendiger. Doch an ihnen nagt der Zahn der Zeit, da sie durch Witterung und sauren Regen angegriffen werden.
Steingrau begegnet uns nicht nur in der Natur, sondern auch in unseren Siedlungsräumen, wo es Wegen, Straßen und Plätzen festen Halt gibt oder Mauern und Gebäuden Festigkeit verleiht. Grau ist eine Farbe für die Ewigkeit, die sich allen Moden und kurzlebigen Trends entzieht. Die Farbe wirkt so zeitlos, beständig und selbstverständlich, als wäre sie immer schon da gewesen. Was grau ist, altert nicht, sondern ist bereits alt.
Begegnung mit einem auffälligen Rot
Unter allen Farben erregt Blutrot nicht nur die höchste Auf- merksamkeit, sondern auch die stärksten Emotionen. Der enorme Erfolg der Blütenpflanzen, die sich koevolutionär mit der Tierwelt entwickelt haben, basiert auf der Macht ihrer Farben, mit denen sie Tiere dazu bewegen konnten, ihre Samen über immer größere Entfernungen zu verbreiten. Die Bestäuber erhielten zur Belohnung gesunde Nährstoffe, die bald zur Lebensgrundlage vieler neuer Arten wurden. Blüten wie Früchte erreichen ihren größten Nährwert und ihre verlockendste Farbenpracht erst dann, wenn sich die Samen so weit entwickelt haben, dass ihre Übertragung beginnen kann.
Der Blick vom Gipfel in die blaue Ferne
Der blaue Himmel bildet für uns den gewohnten Hintergrund zur Erdoberfläche, die sich als Landschaftsform bis zum Horizont erstreckt. Blau hat den Charakter einer Lichtfarbe, die uns Räume öffnet und aufgrund ihrer Immaterialität keine Gefahr darstellt. Es gibt daher keine andere Farbe, der wir intuitiv mehr vertrauen. Das unerreichbare Blau entzieht sich jeder Berührung und damit auch unserer Manipulation. Das zeigt sich auch am Symbolgebrauch, wo Blau häufig für Sicherheit, Richtigkeit und Wahrheit steht. Wo immer Unternehmen, Personen und Medien um unser Vertrauen werben, ist Blau der perfekte Hintergrund.