Ausschnitt Titelbild Zeitschrift Management & Krankenhaus 5/2021

Mit der Farb- und Lichtgestaltung an deutschen Krankenhäusern ist es beim Wohlbefinden oft nicht weit her.

Statt Sicherheit, Vertrauen und Geborgenheit auszustrahlen, verunsichert die Optik Patienten wie Personal, meint der Wahrnehmungspsychologe Prof. Dr. Axel Buether, Bergische Universität Wuppertal. Dabei lässt sich mit relativ geringem Mittel- und Materialeinsatz viel erreichen, wies er in einer Untersuchung für das Wuppertaler Helios-Klinikum nach.

M&K: Die klinische Umgebung ist kein Wohlfühlfaktor, sagen Sie. Im Gegenteil, sie erzeuge in etlichen Fällen Angst, Desorientierung und andere negative Zustände bei Patienten. Sind unsere Kliniken unwirtliche Orte?

Prof. Axel Buether: Das Urteil gilt nicht für alle Kliniken, aber doch für den weitaus größten Teil. Der Mensch lässt sich nicht von seiner Umwelt isolieren. Die Wertschätzung, die wir in die Farb- und Lichtgestaltung klinischer Umgebungen investieren, wirkt nicht nur signifikant auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Patienten, sondern auch auf die Arbeitszufriedenheit und den Krankenstand beim medizinischen und pflegerischen Personal.

Auswirkungen der Farb- und Lichtgestaltung auf Intensivstationen war das Thema einer Untersuchung, die Sie zusammen mit der zuständigen Chefärztin des Wuppertaler Helios-Klinikums, Dr. Gabriele Wöbker, untersucht haben. Sind Patienten und medizinisches Personal tatsächlich farb- und lichtsensibel?

Buether: Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum wir Licht und Farben sehen? Der biologische Aufwand für unsere Farbwahrnehmung ist extrem hoch. Unser Gehirn verbraucht etwa 60 % seiner neuronalen Ressourcen für die Verarbeitung der Informationen, die es über das Farbspektrum des Lichts erhält und sendet. Sinnesempfindungen wie Licht und Farben steuern das menschliche Erleben und Verhalten, denn das ist ihre biologische und kulturelle Funktion. Farbe ist ein atmosphärischer Umweltfaktor, der uns müde, lustlos und krank machen oder auch wach, aktiv und gesund erhalten kann.

Fragen wir zunächst nach dem Wohlbe- finden und der Gesundheitssituation der Patienten …

Buether: Die Beleuchtung und Farbigkeit der Patientenzimmer haben wir so gewählt, dass hierdurch Gefühle wie Sicherheit, Vertrauen und Geborgenheit aktiviert werden. Die leichte Variation der Farbklänge betont die Individualität der Patienten und fügt sich zugleich harmonisch in die Gesamtkomposition der Station ein. Die Intensivstation wirkte nach der Umgestaltung deutlich schöner (Verbesserung um 56,8%), anregender (Verbesserung um 51,4%), einladender (Verbesserung um 50,0%) und wärmer (Verbesserung um 34,6 %). Die Atmosphäre im Zimmer wirkte auf die Patienten deutlich leiser (Reduktion des Lärmpegels um 48,6%) und weniger hektisch (Verbesserung des Ruhepegels um 40,6%). Das ärztliche und pflegerische Personal wurde nach der farblichen Umgestaltung von den Patienten während der Betreuung zwar immer noch genauso kompetent und wertschätzend, doch deutlich entspannter wahrgenommen (Verbesserung um 35,7 %).

Wenn sich der Genesungszustand signifikant verbessert, hat das auch Auswirkungen auf den Medikamenteneinsatz?

Buether: Bei den Akut-Neuroleptika (Haloperidol, Risperidon, Chlorprothixen etc.) kam es zu deutlichen Veränderungen. Im Vergleichszeitraum sank der Verbrauch um durchschnittlich 30,1 %.

Und ergänzend: Was hat sich beim Perso- nal der Intensivstationen ergeben?

Buether: Das Wohlbefinden zeigte sich an der Zufriedenheit mit dem Zustand des Arbeitsplatzes (Verbesserung um 51,2%), des Pausenraums (Verbesserung um 66,7 %), der Patientenzimmer (Verbesserung um 48,8%) sowie der Flure und sonstigen Arbeitsbereiche (Verbesserung um 45,2%), besonders stark wirkte sich die Farbgestaltung auf die Beurteilung der Orientierung (Verbesserung um 42,9%), der Farbigkeit (Verbesserung um 58,7 %), der Kunstlichtqualität (Verbesserung um 52,4 %), der Tageslichtqualität (Verbesserung um 48,7%) und der Identität (Verbesserung um 50,0 %) aus.

Der Krankheitsstand des Personals auf der Station sank innerhalb eines Jahres um 35,37 % im Vergleich mit beiden Vorjahren. Der akute Fachkräftemangel verleiht diesem Ergebnis zusätzliche Relevanz.

Ergibt sich aus Ihrer Untersuchung auch eine verschobene qualitative Bewertung der Klinik durch Patienten und Personal?

Buether: Die Zufriedenheit des Personals mit dem Arbeitgeber verbesserte sich um 35,7 %, mit der Arbeit um 35,1 %. Was das für den Ruf und die Personalsituation der Klinik bedeutet, kann man sich anhand der Ergebnisse gut vorstellen, doch Daten zur Neubewertung der Einrichtung durch Patienten und Personal haben wir nicht erfasst. Wichtig ist hier noch der Fakt, dass die ehedem notwendigen Renovierungsmaßnahmen im Vergleich mit dem üblichen Aufwand kaum Mehrkosten verursacht haben.

Besteht aus Ihrer Sicht eine Forschungs- und Wahrnehmungslücke zur atmosphärischen Wirkung des Raums in Gesundheitsbauten?

Buether: Vor uns gab es weltweit nur wenige Studien zu diesem Thema, die dann meist auch nur einen Raum im Blick hatten. Wir haben bei diesem Projekt insgesamt vier Intensivstationen farblich umgestaltet und dabei die Wirkungen auf Patienten und Personal untersucht. Wir brauchen dringend mehr Forschung in diesem Bereich, denn hierdurch lassen sich nicht nur signifikante Verbesserungen für Patienten und Personal erreichen, sondern auch Kosten einsparen.

Sie sprechen von einer Farbheimat, also einer regional unterschiedlichen Farbwahrnehmung. Hat das erkennbare Konsequenzen für die Gestaltung?

Das vollständige Interview finden Sie auf der Website der Zeitschrift „Management & Krankenhaus„. Die Ausgabe 5/2021 gibt es zeitlich begrenzt hier zum download.