Das anschauliche Wissen wird in unserem Gedächtnis nach inhaltlichen Kategorien typologisiert und zugleich nach raumzeitlichen Kriterien topologisiert. Erst hierdurch können wir im Vorstellungs- und Wahrnehmungsprozess gezielt darauf zurückgreifen. Die anschauliche Topologie lässt sich mit dem Katalogisierungssystem einer Bibliothek vergleichen. Als Typus zeigen uns die Dinge ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten inhaltlichen Kategorie, während sie uns als Topos angeben, wohin sie gehören. Die Menge der Topoi sind untereinander und mit unserem Standpunkt durch das raumzeitlich organisierte Wegenetz der Topographie verbunden. Dieser Vorgang vollzieht sich weitgehend implizit, bis wir ihn durch das problemorientierte Denken und Handeln im Beobachtungs- und Gestaltungsprozess explizieren.

Der Bildraum weist die gleiche topologische Ordnungsstruktur wie unser Handlungsraum auf. Darauf gründen sich alle projektiven Darstellungstechniken, angefangen von konkreten Abbildungen bis hin zu abstrakten Geometrisierungen. Die topologische Struktur unseres Anschauungsraums tritt in der Geometrie am klarsten hervor, da hier keine spezifischen Inhalte mehr dargestellt werden, sondern lediglich formallogische Beziehungen. Orte schrumpfen zu Punkten und Wege zu Strecken, während alle Oberflächen und Körper auf ihre raumbegrenzenden Kanten reduziert und damit entmaterialisiert werden. Das topologische Liniennetz aus Orten und Wegen, Linien und Punkten lässt sich beliebig transformieren, solange die Maßstäblichkeit erhalten bleibt.

Die Topologie der Schrift- und Bildzeichen gibt uns die Blick- und Leserichtung vor, was ein Scan unserer Augenbewegungen im Betrachtungsvorgang zum Vorschein bringt. Die Stellung der Buchstaben zum Wort und Satz spiegelt den Rhythmus der Lautbildung auf anschauliche Weise wider. Typos und Topos bestimmen die Bildung der räumlich-visuelles Zeichen. Aus der Stellung der Zeichen untereinander und zum Ganzen entstehen Bilder mit ganz unterschiedlichem Inhalt. Die Lesbarkeit der Aussage gibt uns daher den Gestaltungsspielraum vor.

Publikation „Die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz“