Die verbale Kommunikation leistet einen erheblichen Teil an der Bildung und Weiterentwicklung des menschlichen Vorstellungsvermögens, doch bleibt diese Art der Kompetenzbildung auf den Sprachraum begrenzt. Dagegen bietet und der Beobachtungs- und Gestaltungsprozess zugleich Anlass wie Motivation, unsere anschaulich gebildete Wissensstruktur zu hinterfragen. Für den räumlich-visuellen Dialog mit der natürlichen und soziokulturellen Umwelt müssen wir daher auf anschauliche Weise „lesen und schreiben“ lernen.

Der Beobachtungs- und Gestaltungsprozess lässt sich als anschauliche Form eines gesellschaftlichen und generationsübergreifenden Dialoges mit dem Natur- und Kulturraum verstehen, in dem wir immer wieder neue Fragen stellen und Antworten finden können. Daher ist es unerlässlich, dass wir frühzeitig mit dem anschaulichen Lernen beginnen. Wie wir das Schreiben nicht vor dem Lesen lernen können, folgt der Erwerb unserer anschaulichen Darstellungsfertigkeiten der Bildung unserer Sehfähigkeit. Erst hierdurch erwerben wir die notwendige Medienkompetenz für den Gebrauch der „anschaulichen Bibliotheken“ unserer natürlichen und soziokulturell gestalteten Umwelt.

Der Gestaltungsprozess eines Werkes beinhaltet für uns die Notwendigkeit zum permanenten Perspektivwechsel in die Position des Beobachters. Der Arbeitsfortschritt bietet immer wieder Anlass für die Weiterentwicklung der Idee, wenn wir uns dazu Fragen stellen und nach Lösungen suchen. Gleichzeitig zur Kompetenzbildung fördert der Herstellungsprozess unsere Intelligenzentwicklung, insoweit wir eine bewusste Auseinandersetzung mit unserer Absicht, unserem Weg und dem Resultat der Problemlösung suchen. Entwickeln wir unsere Ideen und Konzepte maßgeblich über den wortsprachlichen Dialog, dient der Herstellungsprozess lediglich unserer Materialkompetenz. Durch den Verzicht einer methodischen Förderung der räumlich-visuellen Kompetenz im Bildungsprozess werden unsere Möglichkeiten zur Partizipation an modernen Gesellschaften maßgeblich eingeschränkt. Können wir uns nicht auf anschauliche Weise verständigen, bleiben wir stumm, wo immer uns die Worte fehlen.

Publikation „Die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz“