Mit allen Sinnen Farben wahrnehmen

Die Farbempfindungen von Kleinkindern verschieben sich jedes Mal ein Stück weiter von der Netzhaut ihrer Augen in den umgebenden Raum, wenn sie mit ihrer Umwelt interagieren. Am Ende sehen sie Farben genau dort, wo sie nach übereinstimmender Befragung aller Sinne hingehören. Das Kind streckt seine Hände daher vielfach erfolglos nach dem weißen Farbfleck der Milchflasche aus, bis es begreift, an welchem Ort seine Farb- und Tastempfindungen zusammentreffen. Der weiße Fleck gewinnt erst dann eine räumliche Gestalt, wenn das Kind gelernt hat, wie es seine Farbempfindungen mit den Tastbewegungen synchronisiert. Die Fähigkeit zur Unterscheidung von Objekt und Hintergrund ist nicht angeboren, sondern muss gelernt werden, was das Kind ganz von selbst tut, wenn es nach etwas greift. Auf diese Weise gewinnen Farben eine bedeutsame Form und Oberfläche. Sie signalisieren uns Eigenschaften, Verhaltensweisen und Handlungsabsichten. Die Farbigkeit der sichtbaren Welt durchzieht alsbald auch die Erinnerungen, Gedanken und Träume des Kindes. Farben verschmelzen mit Bedeutungen, werden zu Wesenheiten, Eigenschaften und Identifikationsmerkmalen. Kinder müssen die Welt vor ihren Augen in den ersten Lebensmonaten mit all ihren Sinnen wahrnehmen, denn sonst bleiben Farben für sie ein inhaltsleeres Phänomen. (Mehr dazu in meinem neuen Buch „Die geheimnisvolle Macht der Farben)

Mit dem ZDFtivi habe ich für das Entdeckermagazin PUR+ einen Wissensfilm zur Macht der Farben gedreht. Im Mittelpunkt stand ein Experiment, für das etwa zwölfjährige Kinder gebeten wurden, ihre Lieblingsfarbe anzugeben. Dann mussten sie den kompletten Inhalt ihres Kleiderschranks mitbringen und die Kleidungsstücke aller Kinder zu Farbkreisen auslegen, die keinen Rückschluss auf die Form der einzelnen Kleidungsstücke ermöglichten. Anschließend sollten die Kinder Charaktereigenschaften ihrer Klassenkameraden benennen und ihre Mitschüler in die zugehörigen Farbkreise stellen, was zu unserer Überraschung allen problemlos gelang. Interessant war nun, dass die zuvor angegebene Lieblingsfarbe bei etwa der Hälfte aller Kinder selten oder gar nicht in ihrem zugewiesenen Farbkreis vertreten war. Besonders auffällig war der Widerspruch bei Jungen, die Rosa, Gelb und Violett als Lieblingsfarbe angegeben hatten. Es wurde deutlich, dass der Einfluss der Peergroup wie bei uns allen zuverlässig dafür sorgt, dass gewünschtes Verhalten gestärkt wird, während unkonventionelle Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen aus dem Sichtfeld verschwinden.

Vortragsort:
Ardeyhaus – Ev. St.-Petri-Pauli-Kirchengemeinde Soest
Paradieser Weg 84, 59494 Soest, Deutschland

Veranstalter:
Ev. Kirchenkreis Soest Arnsberg
Bei Interesse an einer Teilnahme an der Veranstaltung, bitte dort direkt nach der Möglichkeit der Teilnahme erkundigen