Bild: Klein und Zeitler FLR Kursbeitrag
Herr Professor Buether, schmeck´s uns noch, wenn wir unser Hähnchen mit Erbsen unter Leuchtstofflampen essen?
Zunächst einmal verändert sich unser Appetit. Und dafür reicht schon eine leichte Lichtveränderung.
Wie haben Sie das herausgefunden?
Wir haben das mit hunderten Studenten an unserer Hochschule untersucht. Die haben Nahrungsmittel nach Farben eingeteilt und mit dem Umgebungslicht gespielt, haben Filter verändert, um herauszufinden, ob man die Nahrung dann noch identifizieren kann. Im warmen Lichtbereich liegen zum Beispiel die Banane und das rötliche Fleisch. Wenn die nur etwas bläulicher erscheinen, wirkt das schon unappetitlich. Mehr Rot macht diese Speisen attraktiver. Es hat ja einen Grund, warum Tomaten oder Fleisch im Supermarkt rötlich beleuchtet oder sogar gefärbt sind.
Ungefärbtes Fleisch ist für uns ungenießbar?
Eigentlich hat es ja eine eher graue Farbe. Aber das finden Sie nur beim Bio-Metzger. Alles andere ist mit Lebensmittelfarbe rot gefärbt, damit es frisch wirkt und Lust auf´s Konsumieren macht.
Helle Farben schlagen auf den Magen?
Sie gehen definitiv auf die Gesundheit. Ich kenne Studien von Neurobiologen, die ihren Probanden Essen servieren ließen, das komplett weiß aussah – vom Nahrungswert und von den Vitaminen her war es unverändert. Bei allen Beteiligten kam es nach kurzer Zeit zum Magenkatarrh. Ihr Gehirn braucht also nur der Meinung zu sein, dass etwas nicht gesund aussieht – dann vertragen Sie es tatsächlich nicht.
Warum macht uns alles Rote derart Lust?
Im Lauf der Evolution hat sich unser Gesichtssinn an das natürliche Lichtspektrum angepasst – an das der Sonne. Und da sich die Menschen vor allem im Freien entwickelt haben und nicht im Kunstlicht, ist unser gesamter Wahrnehmungsapparat darauf ausgerichtet – auf Sonnenlicht und den Schein des Lagerfeuers. Die haben beide ein kontinuierliches Farbspektrum – und das ist der gravierende Unterschied zu den Leuchtstofflampen. Die haben ein Zackenspektrum, das vor allem im blauen und grünen Bereich stark ausgeprägt ist; dafür brechen andere Bereiche fast völlig weg. Das klingt wie eine Kleinigkeit, hat aber unheimliche Auswirkungen. Viele Dinge erscheinen uns in dem neuen Licht fremd. Auch unsere Mitmenschen, unsere Sexualpartner.
Auch die Haut meines Gegenübers sieht anders aus?
Sicher, die Haut wirkt bleicher, fahler, und das hat Folgen. Es gibt Psychologen, die behaupten, Hautfarbe wäre im Prinzip nur dafür da, dass wir erkennen, ob der andere sexuell erregt ist oder nicht. Das mag übertrieben sein. Aber klar ist, dass man Emotionen leichter erkennen kann, wenn einem das ganze Farbspektrum zur Verfügung steht.
Durch das kalte Licht wirken wir gefühlskälter?
Das kann man so sagen. Es wirkt insgesamt wie ein Lustkiller. Wenn sich der bekannte Mensch scheinbar verändert, macht das etwas mit unseren Affekten.
Klingt, als ob schon das erste Anbändeln im Café künftig schwieriger wird.
Sicher, schauen Sie sich mal die Leute in zwei Cafés an, die nebeneinander liegen – das eine mit Leuchtstofflampen, das andere mit Glühbirnen beleuchtet. Das kann man sehr schön in Berlin beobachten, oder auch rings um unsere Hochschule in Halle: Erstere bleiben eher leer, in den anderen sitzen die Leute bei warmem Licht beisammen.
Nun bieten die Hersteller ja auch Leuchtstofflampen im Farbton „Warmweiß“ an.
Das Spektrum bleibt dennoch ein ganz anderes, und damit die Wirkung. Die neuen Lampen sollen ja Energie sparen; die alten wirken vor allem deshalb, weil sie Hitze entwickeln. Das Glühen lässt sich nicht imitieren.
Ist das nicht alles eine Frage der Gewohnheit – können wir uns nicht auf das neue Licht einstellen?
Theoretisch ja, aber dafür müsste man sich permanent in Räumen mit diesem neuen Kunstlicht aufhalten. Aber wir haben ja noch die Sonne, und die lassen wir weiter gerne in unsere Räume hinein – niemand mag gern in absolut fensterlosen Büros arbeiten. Eine komplette Adaption ist daher nicht zu erwarten. Ich gehe eher davon aus, dass sich die Leute demnächst für teures Geld die alten Glühbirnen in Spezialläden kaufen – so wie man auch Biofleisch, das früher ganz normal vom Bauer kam, im Fachgeschäft kauft.
Wie verändern sich Ölgemälde in neuem Licht? Van Goghs Sonnenblumen nun mit Blaustich?
Das Problem haben die Museen sowieso schon. Da hängen ganz oft Gemälde in Sälen unter Neonlicht, die in ganz anderer Beleuchtung gemalt wurden, die an der freien Luft entstanden oder für Kirchen geschaffen wurden. Nun verändert sich das Bild ein weiteres Mal.
Der Direktor des Kölner Wallraff-Richartz-Museums hält beide Varianten für verkehrt – er setzt auf eine dritte Variante: Halogenlicht aus so genannten Solux-Lampen. Was ist der Unterschied?
Wir sollten uns vor Augen halten, dass auch van Gogh und seine Zeitgenossen wahrscheinlich noch nicht im Kunstlicht der neuen Glühlampen gemalt haben. Wir sind es nur gewohnt, das als normale Beleuchtung anzusehen. Die Museumsleute müssen deshalb andere Wege gehen und versuchen, dem natürlichen Licht so nah wie möglich zu kommen. Dafür ist dieser verordnete Wechsel ganz gut: Es ist eine Diskussion in Gang gekommen, welche Qualität von Licht wir haben wollen – und wie viel Licht überhaupt.