Beitrag in der Fachzeitschrift B+B Bauen im Bestand 44. Jahrgang 1.2021

Farbkonzepte für Bestandsinnenräume

Farbe hat in Innenräumen nicht nur ästhetische und symbolische Funktionen, sondern die Farbgestaltung wirkt sich ganz konkret auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Nutzer aus. Die Entwicklung von Farbkonzepten für Bestandsräume, die diese Aspekte berücksichtigt, vollzieht sich in vier Phasen: einem Workshop, in dem die Zielgruppe festgelegt wird, einer Bestandsaufnahme und Dokumentation in den zu gestaltenden Räumlichkeiten vor Ort, der eigentlichen Konzeption und zu guter Letzt der Bemusterung.

Weiß ist die einzige Farbe, deren Anwendung in Architektur und Innenraumgestaltung keine Begründung verlangt. Diese inzwischen zur Konvention gewordene Ansicht spiegelt sich auch in der Praxis der Wohnungsvermietung wider. Nach höchstrichterlichem Urteil sind die Mieter zwar nicht verpflichtet, angemietete Räume beim Auszug in Weiß zurückzugeben, aber Sie müssen Farben wählen, die nahezu alle Mietinteressenten akzeptieren [1]. Da alle Buntfarben und sogar Schwarz und Grau ein nicht zu vernachlässigendes Konfliktpotenzial bergen, wundert es daher nicht, dass Weiß heute die vorherrschende Farbe in Neu- und Bestandsbauten ist.

Der Geschäftsführer eines großen deutschen Malerverbands hat mir versichert, dass seine Mitglieder über 90 Prozent aller Innenräume mit dem Standard „Raufasertapete-Weiß“ ausführen. Die meisten Malerbetriebe sind daher heute weder gefordert noch in der Lage, professionelle Farbkonzepte zu entwickeln. Und bei Fortbildungen muss ich immer wieder feststellen, dass es bei Planern kaum anders ist.

Die richtigen Farben bilden Mehrwert für jeden Bestandsinnenraum

Warum sollten wir heute dennoch „mehr Farben am Bau“ wagen? Ganz einfach, weil Farben für die Lebensqualität, Gesundheit und Arbeitsmotivation von Menschen unverzichtbar sind. Darüber hinaus können Farben den Wert jeder Immobilie steigern. Es kommt dabei jedoch auf die richtigen Farben an, die zu den Nutzern, aber auch der Art und dem Zweck der Nutzung passen.

Die Architekturfarbigkeit hatte in der Vergangenheit genau diese Funktion. Historische Farbstoffe, Pigmente und Bindemittel sowie die handwerklichen Verarbeitungstechniken sind daher ebenso bedeutsam für die Denkmalpflege wie die detailgetreue Wiederherstellung des ursprünglichen Farbkonzepts.

Doch Farben dienen nicht nur der Bewahrung der Vergangenheit, sondern sie sind auch für die Gegenwart von hohem Wert. Sie bieten Orientierung und verleihen unseren Lebensräumen eine unverwechselbare Identität. Farben sind ein attraktives Werbemittel, denn die Sehnsucht nach Schönheit liegt in unserer Natur. Zugleich sind Farben auch ein Statussymbol. Sie geben Auskunft über charakteristische Umwelteigenschaften, das soziokulturelle Milieu und verleihen der gebauten Umwelt ihren Wert. Die richtigen Farben fördern unser Wohlbefinden, erhöhen unser Leistungsvermögen und sind gut für unsere Gesundheit. Von Le Corbusier stammt daher auch der Satz: „Die Farbe ist in der Architektur ein ebenso kräftiges Mittel wie der Grundriss und der Schnitt. Oder besser: die Polychromie, ein Bestandteil des Grundrisses und des Schnittes selbst.“

Positiver Nutzen der Architekturfarbigkeit ist empirisch nachweisbar

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