Die Unkenntnis der sich erst heute in Ansätzen bekannten Arbeitsweise unseres Gehirns hat vergangene Generationen von Wissenschaftlern nicht von der Theoriebildung im Bereich der visuellen Wahrnehmung und Kommunikation abgehalten. Hierauf gründet sich die irreführende Vorstellung von einer bildhaften Netzhautprojektion, die von einer übergeordneten vernunftbegabten Einrichtung im Gehirn ausgewertet wird. Metaphorische Begriffe, wie „innere Bilder, Vorstellungs-, Wahrnehmungs- oder Traumbilder“ sind noch heute fest im Sprachgedächtnis der Gesellschaft verhaftet und gehören zum ständigen Erklärungsrepertoire von Wissenschaftlern, Journalisten und Pädagogen. Hierdurch entgeht uns jedoch das Wesentliche am Prozess der anschaulichen Wahrnehmung, Vorstellung und Darstellung.
Wir sehen keine „Bilder“, die wir anschließend deuten, sondern das bereits verbildlichte, verkörperte oder verräumlichte Ergebnis unseres Interpretationsvorganges. Dieser ist erst dann abgeschlossen, wenn wir aufhören, über den aufmerksamen Blick nach Neuem zu suchen und das bereits Erkannte zu hinterfragen. Das anschauliche Wahrnehmen, Vorstellen und Darstellen beschreibt einen Kommunikationsprozess, durch den wir die bedeutsamen Strukturen in der Umwelt- oder Vorstellungssituation wie die Worte eines Satzes zu sinnvollen Handlungszusammenhängen verknüpfen. Hierfür müssen wir unsere Augen ständig bewegen, da wir nur etwa 2° des Blickfeldes bewusst sehen, während etwa 99,9% der Informationen unbewusst wahrgenommen oder zwischen den Zeilen gelesen werden. Das periphere Blickfeld dient der Aufmerksamkeitssteuerung und bestimmt unsere Gefühle und Emotionen sowie unsere Interessen und Bewertungen.
Auch wenn wir heute bereits wissen, dass wir von den Verarbeitungsprozessen im Gehirn nur einen Bruchteil verstehen, bleibt uns die Aufgabe, das zur Verfügung stehende Material aus den Neurowissenschaften bei der Theoriebildung zu berücksichtigen. Wir können den Lernprozess nur methodisch fördern, wenn wir die biologischen Voraussetzungen dafür kennen.