Die blindgeborene U. Burkhard über das Sehen

„Es kommt ja vor, dass jemand, der einen Roman gelesen hat und dann das Buch als Film sieht, nachher ganz enttäuscht sagt: Aber ich habe mir das alles doch ganz anders vorgestellt. Vielleicht würde mir das auch so gehen, wenn ich plötzlich sehen könnte.“

(in Burkhard, Ursula „Farbvorstellungen blinder Menschen“, Birkhäuser Verlag Basel Boston Stuttgart 1981, S.25)


Der späterblindete M. Hull über das Sehen

„Wenn man immer tiefer in das Blindsein hineingeht, dann werden die Dinge, die man einst für selbstverständlich hielt und die man, als sie verschwanden, zunächst betrauerte und für die man später die unterschiedlichsten Kompensationen zu finden suchte, am Ende bedeutungslos. Irgendwie scheint es gar nicht mehr wichtig, wie Menschen aussehen oder wie Städte aussehen. Man beginnt mit anderen Interessen, anderen Werten zu leben. Man beginnt, in einer anderen Welt zu leben.“

(in Hull, John M. „Im Dunkeln sehen“, C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München 1992, S.216)

 

Der ehemals blinde M. May, nach seiner Augenoperation über das Sehen

„Am besten lässt sich das vielleicht so beschreiben, dass für mich der Versuch zu sehen so ist, als müsste ich eine fremde Sprache lernen. Man muss sich die Wörter zusammensuchen, die man braucht. Dann muss man die Verben konjugieren. Dann muss man sich überlegen, wie man die Wörter anordnet. So ähnlich geht es mir beim Sehen. Auf die eine oder andere Weise, durch Betasten, Überlegen, Erschließen oder wie auch immer, muss ich das, was ich sehe, einer gedanklichen Arbeit unterziehen, muss mir alles bewusst zurechtlegen. Nur dann verstehe ich, was ich sehe.“

(in Kurson, Robert „Der Blinde, der wieder sehen lernte“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S.395)

 

Publikation „Die Bildung der räumlich-visuellen Kompetenz“